Und sie fliegt doch – eine Buchempfehlung

Wenn der Frühling allmählich den Winter vertreibt, die Sonne das Erdreich erwärmt und die ersten Frühblüher erscheinen, schlägt die Stunde der Hummel ( lat. Bombus ).

Die im Erdreich überwinternde, befruchtete Königin erwacht und begibt sich auf Nahrungs- und Quartiersuche, um ein neues Volk zu gründen. Innerhalb der weltweit artenreichsten Klasse von Lebewesen überhaupt, der Insekten, zählt die Hummel zur Unterordnung der Hautflügler,  die mit ca. 150 Tausend beschriebenen Arten auch schon eine ziemlich große Familie bilden.

Im Gegensatz zu anderen Kulturkreisen, in denen Insekten als preiswertes, uner-schöpfliches Proteinreservoir längst zum Speiseplan gehören, ist in Westeuropa alles was da kreucht und fleucht  auf der Beliebtheitsskala eher im Bereich des lästigen, ekelhaften oder gar bedrohlichen angesiedelt. Nur wenige Exemplare, wie z.B. der Marien- oder Maikäfer, haben den Königsweg ins Kinderzimmer, oder gar Süßigkeitenregal gefunden, wo sie uns als schokoladige Hohlkörper in Versuchung führen.

Die Hummel hingegen ist ein Sympathieträger, gilt als gemütlich, gutartig und trotz ihrer alarmierend gelb-schwarzen oder gelb-orangenen Zeichnung und ihres lauten Fluggeräusches keineswegs als aggressiv oder bedrohlich. Sie ist quasi der Rosinenbomber unter den Fluginsekten. Könnte sie nicht fliegen, oder wäre sie größer und griffiger, so mancher Tierfreund würde der Versuchung erliegen, sie zu streicheln, oder gar mit ihr kuscheln zu wollen.

Biologisch ist die Hummel eine echte Biene aus der Gattung der Staaten bildenden Insekten. Und ist die uns aus Kindertagen vertraute, friedliche und sozial kompetente Biene Maja in ihrer sympathischen Pummeligkeit  nicht eigentlich auch eher eine Hummel? Wie so oft, sind auch hier die Grenzen fließend.

Abbildung des Buchcovers © beim Verlag

„Und sie fliegt doch“ begleitet die Hummel durch ihr kurzes, arbeitsreiches Leben, erklärt ihre Bewegungs- und Orientierungsmuster und beschreibt ihre enorme Bedeutung für unser ökologisches Gleichgewicht. Es ist gleicher-maßen wissenschaftlich fundiert und lehr-reich, wie anekdotisch, unterhaltsam und persönlich. Dave Goulson ist Biologieprofessor an der University of Sussex und die Speerspitze des europäischen  Hummelschutzes.

2006 gründete er in Großbritannien den „Bumblebee Conservation Trust“ und anfänglich war er sich auch nicht zu schade im Hummelkostüm für die gute Sache zu werben.

Der Alltag in der biologischen Feldforschung ist mühsam und langwierig, skurril anmutende Versuchsreihen erfordern Geduld, Phantasie und Experimentierfreude und die Hummel ist ein nicht immer kooperatives Forschungsobjekt, das sich hartnäckig der Totalentschlüsselung verweigert. Wir erfahren z.B., dass eine von Hummeln bestäubte Tomatenpflanze schmackhaftere Früchte hervorbringt, als eine maschinell befruchtete und das die sog. Kuckuckshummel fremde Völker übernimmt, nachdem sie die residierende Königin getötet oder unterworfen hat. Rein aerodynamisch betrachtet wäre die Hummel eigentlich gar nicht flugtauglich.

Goulson`s Buch  ist nicht nur wie versprochen eine kurze Geschichte der Hummel, sondern gleichzeitig ein Plädoyer für ökologische Landwirtschaft, naturnahes Gärtnern mit insektenfreundlicher Bepflanzung und den Mut zur Wildnis. Als Belohnung lockt das Bad in der Artenvielfalt einer blühenden  Wiese und sein heilsamer Einfluss auf die Seelenhygiene, und letztendlich die Erkenntnis, dass die Hummeln ohne den Menschen deutlich besser dastünden als umgekehrt.

„Und sie fliegt doch“ von Dave Goulson ist im List Verlag erschienen, kostet 9,99 Euro
und ist im Hortus natürlich vorrätig!

Berlin, im März 2017

Thomas Grenz  (© Text und Fotos )

www.thomasgrenz-fotografie.de

Hummel an Krokus, Botanischer Garten Berlin, 28. März 2017